Ausblick: Europas Stahlproduzenten verlassen Tal der Tränen

08.10.16

Ausblick: Europas Stahlproduzenten verlassen Tal der Tränen

Europäische Stahlproduzenten haben im laufenden Jahr bereits zahlreiche Erhöhungen der Stahlpreise bei ihren Kunden durchgesetzt. In Nordeuropa stieg der Preis für das Referenzprodukt Warmband (Hot-Rolled Coil) von 315 Euro im Januar auf 445-455 Euro je Tonne im Oktober. Von diesem Anstieg um gut 40% müssen die Stahlproduzenten nun zehren, bis die Stahlnachfrage 2017 wieder anzieht.

Die Stahlnachfrage in der EU wird 2016 gemäß dem europäischen Stahlverband Eurofer mit 153 Millionen Tonnen auf dem Niveau des Vorjahres verharren. Damit entfällt eine Voraussetzung für weiter steigende Stahlpreise. Insofern ist es nur konsequent, dass die Stahlhersteller in Brüssel vorsprechen, um der unliebsamen Konkurrenz aus China und Russland auf dem EU-Stahlmarkt das Leben möglichst schwer zu machen.

Mit Erfolg. Die EU verdoppelt den Strafzoll auf chinesisches Warmband. Das alleine dürfte laut Stahlexperten aber nicht ausreichen, um den Warmbandpreis wieder über 500 Euro je Tonne zu heben. Europas Stahlmarkt sei vor allem im Süden ziemlich segmentiert. Dadurch ließen sich Preiserhöhungen sehr viel schwieriger durchsetzen als beispielsweise in den USA.

Fusionen vertagt

Dass es bei dem Zusammenschluss von Thyssenkrupp und Tata Steel nicht vorangeht und ein Käufer für das Riesenwerk des italienischen Stahlproduzenten Ilva in Taranto erst in der ersten Hälfte des nächsten Jahre feststehen soll, zeigt: Die Stahlmanager spielen auf Zeit. Statt auf Konsolidierung setzt man auf ein Anspringen der Industriekonjunktur und eine Erhöhung der Stahlnachfrage 2017.

In der Tat ist das Wachstum im Produzierenden Gewerbe zuletzt stärker geworden. Die Einschätzung der Einkaufsmanager hat sich im September in Deutschland, Italien, Spanien und selbst in dem brexit-gebeutelten Großbritannien, wo den Produzenten das weiche Pfund entgegenkommt, überraschend kräftig aufgehellt. Auch die Laune der industriellen Chefeinkäufer in den USA und China hat sich verbessert.

Es gibt erste Parallelen zum kräftigen Wachstum der Weltwirtschaft 2010/2011, als sich Europa, die USA und Asien gemeinsam auf robustem Expansionskurs befanden. Vor sechs Jahren hatte der Stahlpreis für nordeuropäisches Warmband bei 517 Euro gelegen. Nach dem Anstieg in diesem Jahr um etwa 40% auf 450 Euro bedarf es damit nur noch ein Preissteigerung von 15%, um dieses Niveau wieder zu erreichen.