Stahlindustrie hat keine weiße Weste

20.06.17

Stahlindustrie hat keine weiße Weste

Aus der Sicht von Europas Stahlproduzenten ist es eine absolute Unverschämtheit: Präsident Trump erwägt zu erklären, dass die in sein Land kommenden Stahlimporte die nationale Sicherheit gefährden. Auf den zweiten Blick kann man die Kritik der Amerikaner nachvollziehen. Die Europäer stehen im Verdacht, hohe US-Stahlpreise mit Staatsdoping auszunutzen.

In den USA lag der Stahlpreis für Warmband per 12. Juni 2016 bei 665 US-Dollar je Tonne. Die Europäer können diese wichtige Produkt deutlich günstiger produzieren und verkaufen. So kostete Warmband aus Deutschland, Frankreich und Benelux 555 US-Dollar bzw. 495 Euro. (Quelle: Steel Benchmarker). Der Preisunterschied beträgt 110 Dollar bzw. 98 Euro.

Weiterlesen: Aktuelle Stahlpreise pro Tonne (1.000 kg) - Westeuropa/USA

Unternehmen wie US Steel haben in den letzten Jahren massive Einsparungen vorgenommen. Es wurden viele Arbeitsplätze gestrichen. In Europas Stahlindustrie ist es dagegen vergleichsweise glimpflich zugegangen. Hier greift der Staat den Stahlkochern unter die Arme. Warum das Land Niedersachsen an der Salzgitter AG 26,5% hält, ist aus der Sicht eines Amerikaners nicht einmal ansatzweise nachvollziehbar.

Auch die Rettung des Stahlwerkes Ilva deutet darauf hin, dass die Europäer mit zweierlei Maß messen. Zu Hause winkt die EU Staatsbeihilfen unter irgendwelchen Ausnahmeregelungen stets durch (neben der Stahlindustrie konnte man das zuletzt wieder einmal bei der Rettung italienischer Banken auf Steuerzahlers Kosten sehen).

Auf dem internationalen Parkett pochen Vestager, Zypries und Co. dann auf 100% freie Marktwirtschaft. Dieses Subventions-Arbitrage-Game, was die Europäer spielen, wird an einer weiteren Eigentümlichkeit sichtbar: So können sich Unternehmen direkt bei der Europäischen Zentralbank (EZB) Kredite zu subventionierten Tiefstszinsen besorgen. Dem Ankaufprogramm von Unternehmensanleihen von EZB-Präsident Mario Draghi sei dank.