Stahl Entwicklung: Abwärtstrend vertieft Krisenstimmung

Der Rückgang der Stahlpreise für Flacherzeugnisse ist der schärfste seit anderthalb Jahren. 550 Euro/Tonne sei die absolute Untergrenze für Warmband, um kostendeckend zu arbeiten, sagen Stahlhersteller. Allerdings schreiten die Märkte mit kräftigen Preisabschlägen voran. Entsprechend hoch sind die Chancen, dass sich der Preisreduktion von aktuell 14% auf 20% ausweitet.

Plötzlich beginnt sich der Abwärtstrend zu beschleunigen. Der Warmband-Terminkontrakt für Nordeuropa fällt zum Monatsauftakt um 20 Euro auf 550 Euro je Tonne. Das ist der tiefste Stand seit 12. Dezember 2024. Der Spotpreis sinkt auf 565 Euro. Das sind 30 Euro weniger als Mitte Juni und 90 Euro (-14%) weniger gegenüber Ende April, als die Stahlpreisentwicklung bei 655 Euro gipfelte.

"Die Preise befinden sich jetzt nahe am Tiefpunkt, und weitere Rückgänge sind unwahrscheinlich, da die Kosten steigen", sagten Herstellerquellen gegenüber Fastmarkets. "Ich glaube nicht, dass die [Warmband-]Preise im gleichen Tempo weiter fallen werden. Der Rückgang verlangsamt sich bereits, und die Auftragslage ist gar nicht so schlecht“, kommentiert der Mitarbeiter eines Stahlwerks.

Mit Blick auf die Endverbraucher-Nachfrage gibt es für Stahlhersteller nichts zu beschönigen. Die Produktion im Automobilsektor sank im Jahr 2024 um 8,7 %. Entgegen der früheren Erwartung eines Anstiegs um 2,1 % wird für dieses Jahr nun ein weiterer Rückgang von 2,6 % prognostiziert. Auch die Rezession im Maschinenbau dürfte anhalten: Nach einem Rückgang der Produktion um 5,2 % im Jahr 2024 wird für dieses Jahr ein weiteres Minus von 1,7 % erwartet.

Importierter Warmbandstahl aus Indonesien, für den bisher keine Zölle/Schutzklauseln anfallen, da das Land von der EU als Entwicklungsland eingestuft wird, schwemmt auf den EU-Stahlmarkt für 470-480 Euro CIF. Gleichzeitig kommt Warmband aus dem hochentwickelten Japan zu Preisen von 530 Euro in die EU. Hintergrund ist der schwache Yen. Der Euro wertete zur japanischen Währung in den letzten fünf Jahren von 115 Yen per 1 Euro auf 170 Yen (+47%) auf.

Zusammenfassung

Der europäischen Warmbandmärkte verzeichnen breit angelegte Preisrückgänge, die durch aggressive Importkonkurrenz aus Indonesien, Südostasien und Japan verursacht werden. Gleichzeitig belastet die schwache Nachfrage aus der Automobilindustrie und dem Maschinenbau die Marktentwicklung.

Regulatorische Unsicherheiten mit Blick auf die Einführung des CO₂-Grenzausgleichssystem (CBAM, Carbon Border Adjustment Mechanismund) am 1. Januar 2026 verstärken den negative Preistrend. Überdies haben EU-Stahlwerke zu viele produziert und ihre Absatzchancen zu optimistisch eingeschätzt.

Die mächtige Stahlindustrie mit ihren vielen Beschäftigen macht nun das, was sie seit Jahren in einer solchen Situation macht: Sie fordert von der EU in Brüssel einen regulatorischen Bailout (höhere Importzölle, schärfere Schutzklauseln etc.)

Inzwischen hat sich der Abwärtstrend zementiert, so dass ein rasche Erholung mit Preisanstieg bereits im Juli unwahrscheinlich ist. Stahlwerke dürften Warmband nicht für weniger als 550 Euro verkaufen. Unabhängige Stahl-Service-Center jedoch schon, so dass weiteren Rückgängen der Warmbandpreise nichts entgegen steht.

Oft wird ein Aufwärtstrend, wie in die Stahlpreisentwicklung für Warmband zwischen Dezember 2024 und April 2025 gesehen hat, um 20 % korrigiert. Demnach müsste der Spot-Warmbandpreis auf 525 Euro sinken, bevor er sich stabilisiert und schließlich wieder steigen kann.