Rätselraten um auskömmliche Stahlpreise

Europas größter Stahlhersteller schaltet den nächsten Hochofen ab, während der Stahlpreis für Warmbreitband seine Talfahrt auf 870 Euro je Tonne frei Werk Ruhr fortsetzt. Bis zur Schmerzgrenze sind es noch 50 Euro. Dann kann Warmband über die Hochofenroute nicht mehr kostendeckend produziert werden.

AreclorMittal (AM) schaltet in Dünkirchen einen Hochofen mit einer jährlichen Kapazität von 1,2 Millionen Tonnen ab. Damit setzt sich der Trend zu Produktionskürzungen fort.

Zuvor hatte AM bereits die Produktion eines Hochofens in Eisenhüttenstadt ausgesetzt. Dies habe man als routinemäßige Wartungsarbeiten runtergespielt, moniert Argus. Es sei unwahrscheinlich, dass die Produktion wie ursprünglich geplant in den nächsten Monaten wieder aufgenommen werde.

Hintergrund ist die hartnäckig schwache Stahlnachfrage, die auch ausschlaggebend gewesen sein dürfte, um den Hochofen in Dünkirchen abzuschalten. Salzgitter hatte zuvor die Inbetriebnahme seines Hochofens C mit einer jährlichen Kapazität von 600.000 Tonnen verschoben.

Unfaire Preise

Die Preisfindung über Angebot und Nachfrage ist aktuell beeinträchtigt. "Ist der Markt auf Höchst- oder Tiefstständen, gibt es keinen Handel", erläutert der Mitarbeiter eines Stahlherstellers gegenüber Platts. Erreichen die Preise ein Klimax, halten sich die Käufer zurück. Umgekehrt würden die Stahlhersteller zu Tiefstpreisen nicht verkaufen.

"Wir könnten für 820 Euro verkaufen und hätten unsere Kosten drin. Es macht aber keinen Sinn die Preise runterzuziehen", sagt der Mitarbeiter eines anderen Hüttenbetreibers.

Stahlhersteller haben laut Marktkreisen nicht die Möglichkeit überflüssigen Stahl in den Export zu geben. Hintergrund seien ihre hohen Kosten sowie die Entwicklung der globalen Stahlpreise, welche ebenfalls nach unten zeigt.

Der schwache Euro, für den es aktuell lediglich 1,05 US-Dollar gibt (nach 1,20 vor einem Jahr), hilft nicht die Exporte anzukurbeln. Dass der Euro so weich daher kommt, hat unter dem Strich mehr Nachteile. Die Importkosten für Rohstoffe und fossile Energieträger sind auch währungsbedingt stark gestiegen.

Ähnliche Probleme haben stahlverarbeitende Unternehmen: Die Exporte seiner Mitgliedsunternehmen werden dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) zufolge in diesem Jahr lediglich um 2,5% zulegen. Das ist insofern bemerkenswert, als der Auftragsbestand sehr, sehr hoch ist. Anfang 2022 war der BDI noch von einem Plus der Ausfuhren von 4% ausgegangen.

Liniendiagramm Stahlpreisentwicklung Europa März-Juni 2022

Unterdessen sinkt die Stahlpreisentwicklung am Terminmarkt dorthin, wo sie die Stahlhersteller nicht haben wollen. Der Juli-Kontrakt für nordeuropäisches Warmband fällt auf 812 Euro je Tonne.

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