Preisanstieg bei HRC trifft auf schwache Nachfrage und neue US-Zölle

Die Preise für warmgewalzten Stahl (Hot Rolled Coil, HRC) in Europa sind am 3. April um 5 €/t auf 645 €/t gestiegen, meldet Platts. ArcelorMittal, Europas größter Stahlhersteller, hat laut Marktteilnehmern bereits neue Zielpreise von 700 €/t für Nordwesteuropa angekündigt. Doch der Preisanstieg stößt auf deutliche Widerstände – vor allem auf Seiten der Servicecenter und Endverbraucher.

Ein Insider eines Servicecenters beschreibt die Lage so: „Die aktuelle Nachfrage ist spürbar schwach." Man stehe unter Druck durch steigende Preise der HRC-Hersteller, während gleichzeitig die Preise für Bleche und andere Downstream-Produkte fallen. (Kallanish)

Importpreise als Ventil für den Preisdruck

Während europäische Stahlwerke ihre Preise anheben, bleiben Importangebote aus Ländern wie der Türkei oder Asien deutlich günstiger – teils bei 580–600 €/t CIF Europa. Selbst unter Einbeziehung von Zöllen und Transportkosten ergibt sich eine Differenz von über 100 €/t zum neuen Zielpreis europäischer Produzenten.

Das macht Importe wieder attraktiver, auch wenn verschärfte Safeguards oder Antidumpingzölle greifen. Viele Marktteilnehmer rechnen daher mit einer Zunahme der Importkäufe für Lieferungen ab Juni oder Juli, vor allem wenn sich die Preisschere weiter öffnet.

US-Strafzölle belasten stahlverarbeitende Industrie

Zusätzlichen Druck auf den europäischen Flachstahlmarkt bringt die angekündigte Einführung reziproker Zölle durch die US-Regierung unter Donald Trump. Sollte die Maßnahme in Kraft treten, dürften zahlreiche Exporteure aus der EU – etwa aus dem Maschinenbau- und der Automobilbranche – Wettbewerbsnachteile erleiden. Diese Branchen zählen zu den Hauptabnehmern von Flachstahlprodukten wie HRC, Kaltband und beschichtetem Stahl.

Ein Rückgang der Exporte in die USA könnte dazu führen, dass viele Hersteller ihre Produktionsmengen kürzen, was wiederum die Nachfrage nach Vormaterialien wie warmgewalztem Bandstahl schwächt. Für europäische Stahlhersteller bedeutet das: Der Versuch, durch höhere Preise die Marge zu stabilisieren, wird in einem zunehmend angespannten Umfeld schwieriger.

Ausblick

Der europäische Flachstahlmarkt befindet sich in einem fragilen Gleichgewicht. Auf der einen Seite stehen Hersteller, die durch geringe Auslastung und hohe Kosten zu Preiserhöhungen gezwungen sind. Auf der anderen Seite Nachfrage sluggish, wie man im Englischen sagt. Importe werden attraktiver und geopolitische Risiken wie US-Zölle verschärfen die Unsicherheit.

Ohne eine nachhaltige Belebung der Nachfrage – etwa durch Bau, Automobil oder Infrastruktur – dürften sich weitere Preissteigerungen als schwierig erweisen. Die nächsten Wochen werden zeigen, ob sich der Stahlmarkt den Vorstellungen der Hersteller anpasst oder ob sich Widerstände, in Form von Nachverhandlungen, Importalternativen oder Produktionsdrosselungen der stahlverarbeitenden Industrie, durchsetzen.